Die 7. Lesenacht
Samstag, 20. Januar 2024
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Leseprobe:

Birgit Letze-Funke

Auszug aus

„Geheimes Frauenwissen“

 

Alte Liebe
Die Luft flirrt. Kein Windhauch bewegt den Dutt der Dame vor mir. Wie ein Hurrikan stürmt Annegret in den Saal, hastet bis zum Podium, sieht sich kurz um, schiebt quer durch den Raum und lässt sich neben mir auf dem letzten freien Platz in der zweiten Reihe nieder. Diesen Stuhl musste ich mit Zähnen und Klauen verteidigen. Warum all diese verschwitzten mehr oder minder alten Leute um mich herum die unerträgliche Hitze in Kauf nehmen, ist mir ein Rätsel. Annegret hätte bei ihrem Auftritt  beinahe den Infoaufsteller neben dem Eingang umgerissen: „Seniorenakademie. Heute 16 Uhr. Vortrag mit Hans-Werner Palutzke“. Und jetzt fächelt der Dutt vor mir auch noch mit einem Programmzettel unablässig heiße Luft in mein Gesicht. Den letzten Bissen vom Prasselkuchen stopft Annegret eilig in sich hinein, weil es gleich vier ist und verschluckt sich prompt daran. Ich klopfe wild auf ihrem Rücken herum, als sie die Arme hochreißt und dunkelrot anläuft. Glück gehabt. Alles wieder gut. Jetzt hüpft Annegret auf ihrem Stuhl herum wie ein junges Ding, knufft mich unablässig am Arm und fragt wohl zum hundertsten Mal, wie spät es ist, ob Hans-Werner sie wohl wiedererkennt, ob sie einigermaßen aussieht. Ihr HaWe von damals, den Onkel Gerhardt als Hippie beschimpft und mit einer Grundsatzdiskussion über Haarlänge und anständige Kleidung genervt hatte bis er türenschlagend verschwand und niemals wiederkam. Annegret wird das Onkel Gerhardt niemals verzeihen. Bis in den Tod nicht. Immer wieder schaut sie zur Tür, dreht nervös die Serviette vom Prasselkuchen zu einer Wurst und zupft an ihrem Rock herum, der tadellos sitzt und ganz und gar keiner Korrektur bedarf. Ich kann Annegrets Geschichte von HaWe und Onkel Gerhardt nicht mehr hören. Sie redet seit zwei Wochen von nichts anderem.
Der Dutt vor meiner Nase dreht Richtung Tür, und endlich tritt Hans-Werner Palutzke auf.  Annegret erbleicht für einen Moment und starrt mich an, als ihr Traummann von damals seine Stimme erhebt: „Sie werden entschuldigen, det ick ma vaspätet habe. Aber die Schandschnauze von eener Portjeeschen krichte einfach nich det Jas aus’m Kiefermotor. Sacht die: Is nich mehr heute und so… Dabei habe ick dit schriftlich. Eine höfliche Aufforderung, ma heute hier einzufinden, zwecks Vortrach zum Thema ‚Berliner Liedjut, det sich mit unsern Dialekt familiär machen tut‘.“
„Ist der komisch!“, entfährt es mir, und Annegret zerschmilzt neben mir wie ein Schokoladenosterhase in der Sonne. Einen Riesen, einen Adonis hatte ich mir vorgestellt, wenn sie von ihrer ersten großen Liebe schwärmte. Unsympathisch ist der nicht, denke ich, aber irgendwie wirkt alles an dem zu groß, sogar die Haare! Ich will nicht lachen. Wirklich nicht. Wirklich. Aber ich muss. Der ganze Saal lacht jetzt mit mir. HaWe scheint zufrieden, schmeißt sich in Positur und lässt uns wortreich am Sieg über die Portjeesche teilhaben:  „Ick also zu se: Aus dem Weg, sonst fällste uff’s Gesäß, mein Kind. Ick jeh da durch. Da werden Ihre hundertfünf Kilo Lebendjewicht Hans Werner Palutzke nich hindern, uff die erste Geije mitzuspielen. Sehn’se, für den Zweck hab ick zwar keene Geije mitjebracht, aber ein musikalisches Ergänzungsstück, det Ihnen de Stimmritze verschlächt!“
Mit großer Geste zeigt dieser Herr Palutzke zum Klavier. Den Dutt vor mir schüttelt es vor Lachen, als er seine großspurige Ankündigung wiederholt, aber einfach kein Ergänzungsstück erscheinen will. Mein Mitgefühl ist geweckt und für einen Augenblick wäre ich bereit, in diese Bresche zu springen, nur damit Annegrets HaWe nicht so blöd dastehen müsste. Kleinlaut erklärt der uns, dass jetzt eigentlich Frau Krause auftreten sollte. Dieser Moment der Irritation und Schwäche währt nur einen Annegret-Augenaufschlag lang, ist sauber platziert und weicht prompt mannhafter Empörung:  „Wissen’se, et jibt heutzutage so schlecht jutet Personal.“...

 

Broschiert: 80 Seiten

Verlag: Spica Verlag GmbH (14. Januar 2020)

ISBN-10: 3946732607

ISBN-13: 978-3946732600

Preis: 12,80 €

 

Auch bei der Autorin bestellbar.

 

>>> Hörprobe zum Buch

Impressionen

Die APITZens ©Elke Hübener-Lipkau, 2022
Die APITZens ©Elke Hübener-Lipkau, 2022
Olaf-Michael Ostertag im FELIX-Punkt-Club. Roland Kirchhof begleitet ihn auf der Gitarre.
Olaf-Michael Ostertag © K. Lüttke, 2019
Thomas Frick liest bei der Lesenacht an der M8 2020 in der Golferia Berlin zur Brandenburger Nacht aus seinem Buch.
Thomas Frick © Erel Ka, 2020
Stephan Hähnel liest bei der Lesenacht an der M8 2020 in der ADTV-Tanzschule zur Satire-Nacht aus seinem Buch.
Stephan Hähnel © A.P. 2020
Ute Gliwa bei der Lesung 2019
Ute Gliwa © Erel Ka, 2019
Hartmut Felber liest zur Satire-Nacht an der M8 in der ADTV-Tanzschule Kotzur in der Havemannstraße.
Hartmut Felber © A.P. 2020
Franziska Hauser liest bei der Lesenacht an der M8.
Franziska Hauser © Erel Ka, 2019
Im FELIX-Punkt-Club zur Lesenacht 2017.
Im FELIX-Punkt-Club © K. Lüttke, 2017

Elke Hübener-Lipkau liest in der Golferia Berlin zur 4. Lesenacht an der M8.
Elke Hübener-Lipkau © Sebastian Bohne, 2020
Das Lehmhaus Alpha 2.
Das Lehmhaus Alpha 2 © Klaus Tessmann, 2019
Alexandra Lüthen liest erotische Gedichte im Lehmhaus Alpha der Spielplatzinitiative in Ahrensfelde.
Alexandra Lüthen © Klaus Tessmann, 2020
Aldona Kosel, die mit ihrem Mann das Papiertheater an der Oppermann betreibt.
Aldona Kosel © Ulrich Rutkowski, 2020
Dr. Christina Siegfried mit ihrem Tischtheater zu Gast bei der 4. Lesenacht an der M8 beim Papiertheater an der Oppermann.
Dr. Christina Siegfried © Ulrich Rutkowski, 2020
Clint Lukas liest im Café grips in Alt-Marzahn zur 4. Lesenacht an der M8 2020.
Clint Lukas © Ulrich Rutkowski, 2020
Im FELIX-Punkt-Club zur Lesenacht 2019.
Im FELIX-Punkt-Club © K. Lüttke, 2019
Wolfgang Brauer liest in der ADTV-Tanzschule S. Kotzur bei der Lesenacht an der M8 2019.
Wolfgang Brauer © Erel Ka, 2019
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