Leseprobe:
Ernst Reuß
"Der Katzenkönig"
Im sogenannten Katzenkönig – Fall gab es drei Angeklagte, die laut Gericht:
„in einem von ‚Mystizismus, Scheinerkenntnis und Irrglauben’ geprägten ‚neurotischen Beziehungsgeflecht’“ zusammenlebten.
Das Landgericht Bochum als erstinstanzliches Gericht hatte zwei der drei Angeklagten zu lebenslanger Haft und den dritten zu neun Jahren Haft und Unterbringung in ein psychiatrisches Krankenhaus
verurteilt.
Dieser Dritte –Michael R. – hatte versucht, Annemarie N. eigenhändig umzubringen. Daran gab es keinen Zweifel.
Die anderen Angeklagten: Barbara H. und Peter G., hatten gemeinsam dem offenbar leicht beeinflussbaren Michael erfolgreich weisgemacht, dass die nun angeklagte Barbara von Zuhältern und Gangstern
bedroht werden würde. Michael - er war Polizist und schien ziemlich verliebt in Barbara zu sein - fühlte sich fortan als Barbaras Bodyguard und bewachte sie rund um die Uhr mit Argusaugen.
Barbara und Peter fanden das wohl lustig und trieben weiterhin ihre boshaften Possen mit Michael.
Er musste von nun an alle möglichen Mutproben bestehen, sich katholisch taufen lassen und Barbara auf Knien ewige Treue schwören.
Doch damit nicht genug.
Mit schauspielerischen Tricks, dem Vorspiegeln hypnotischer und hellseherischer Fähigkeiten und mit angeblich mystischen Kulthandlungen brachte das arglistige Paar Michael dazu, an die Existenz
eines „Katzenkönigs“ zu glauben.
Ein Katzenkönig? Aha!
Dieser angeblich real existierende Katzenkönig verkörperte laut Barbara und Peter seit Jahrtausenden das Böse in der Welt und war – warum auch immer - gerade jetzt eine unmittelbare Bedrohung für
die Menschheit.
Barbara und Peter hatten wohl einen Heidenspaß dabei, derartige Spielchen zu treiben.
Michael jedenfalls glaubte fest daran und, wie das Gericht feststellte, „wähnte sich schließlich auserkoren, gemeinsam mit den beiden anderen den Kampf gegen den ‚Katzenkönig’ aufzunehmen.“
Geschichten, die das Leben schreibt, aber die man kaum zu glauben wagt!
Als Barbara jedoch 1986 von der Heirat ihres früheren Freundes Udo N. erfuhr, war der Spaß schlagartig vorbei. Die krankhaft eifersüchtige Verflossene entschloss sich dazu, dessen frisch
geehelichte Frau Annemarie umbringen zu lassen.
Michael war das perfekte Werkzeug für den perfiden Plan.
Peter, dem der um Barbara buhlende Michael inzwischen sowieso ein Dorn im Auge war, gefiel dieser Plan ebenfalls, denn indem er ihn zum Sündenbock machte, konnte er seinen Mitbewerber
möglicherweise loswerden.
Das Gericht fuhr fort:
"In stillschweigendem Einverständnis mit P., der wie sie wußte — seinen Nebenbuhler loswerden wollte, spiegelte die Angeklagte H. dem R. vor, wegen der vielen von ihm begangenen Fehler verlange
der ‚Katzenkönig’ ein Menschenopfer in der Gestalt der Frau N.; falls er die Tat nicht binnen einer kurzen Frist vollende, müsse er sie verlassen, und die Menschheit oder Millionen von Menschen
würden vom ‚Katzenkönig’ vernichtet.“
Michael war nun in einer Zwickmühle.
Sollte er etwa für die Vernichtung der Menschheit verantwortlich sein? Das wollte er sicherlich nicht.
Aber jemanden umbringen? Nein!
Er war schließlich Christ und berief sich auf das fünfte Gebot: „Du darfst nicht töten“.
Doch auch diese Skrupel konnten Barbara und Peter entkräften. Sie erklärten dem armen, an Gewissensbissen leidenden Michael durchaus nachdrücklich, dass das Tötungsverbot in diesem Fall nicht
gelten würde, da dies ein göttlicher Auftrag sei und man schließlich die Menschheit retten, also höhere Werte verteidigen müsse.
Letztendlich hatten sie ihn überzeugt und Michael erklärte sich zur Tat bereit.
Das Gericht beschrieb das so:
„Nachdem er Barbara H. ‚unter Berufung auf Jesus’ hatte schwören müssen, einen Menschen zu töten, und sie ihn darauf hingewiesen hatte, daß bei Bruch des Schwurs seine ‚unsterbliche Seele auf
Ewigkeit verflucht’ sei, war er schließlich zur Tat entschlossen. Ihn plagten Gewissensbisse, er wog jedoch die ‚Gefahr für Millionen Menschen ab’, die er ‘durch das Opfern von Frau N.’ retten
könne.“
Zitiert aus Ernst Reuß; „Mord? Totschlag? Oder was?“, S. 40 ff.
Das Buch ist beim Autor erhältlich.